Femizide in Deutschland - Fehlende Forschung, rechtliche Lücken und gefährliche Narrative
"Das allgemeine Verständnis von Femiziden richtet sich nach der Definition der Soziologin Diana E. H. Russel: Femizide sind Tötungen „einer oder mehrerer Frauen durch einen oder mehrere Männer, weil sie Frauen sind.“[1] Der Begriff beschreibt also solche Tötungen von Frauen und Mädchen, bei denen ihr Geschlecht eine zentrale Rolle spielt – im Gegensatz zu etwa einem „Raubmord“. Gemeint sind Fälle, in denen Frauen aufgrund sexistischer oder misogyner Haltungen der Tatperson getötet werden.
Ein ähnliches Verständnis von geschlechtsbezogener Gewalt findet sich auch in der Vienna Declaration on Femicide, die von der „Tötung von Frauen und Mädchen wegen ihres Geschlechts“ spricht.[2][3] Die Tötung ist Ausprägung eines sexistischen Tatmotivs. Der Begriff beschreibt außerdem, dass die Tat mit der geschlechtsbezogenen, gesellschaftlichen Diskriminierung von Frauen und Mädchen einher geht[4]. Diese führt dazu, dass diese Personen aufgrund ihrer Marginalisierungen nicht ausreichend geschützt werden. Er umfasst außerdem auch versuchte Tötungen. Denn wie jede Ausprägung geschlechterbasierter Gewalt, haben auch diese eine Signalfunktion an potenziell von dieser Gewaltform Betroffene. Denn bestehende Machtverhältnisse setzen sich in einer misogynen, sexistischen Gesellschaft so erneut durch.
Um einzelne Tötungsdelikte auf einen Femizid hin zu untersuchen und sie rechtlich bewerten zu können, braucht es eine intensive Motivforschung. Diese Forschung ist bisher in Deutschland lückenhaft."
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[1] Russell, Diana E. H., and Harmes, Roberta. (Hrsg.) 2001. Femicide in Global Perspective. New York: Teachers College Press.
[2] UN, WHO/RHR/12.38, S. 1: „Geschlechtsspezifische Tötungen von Frauen und Mädchen, auch Femizid und Feminizid genannt, können im weitesten Sinne als vorsätzliche Tötungen definiert werden, die aufgrund von geschlechtsspezifischen Faktoren begangen werden“, UNODC / UN WOMEN / UNSTATS (2023), S. 7. [zuletzt geprüft: 03.11.2025].
[3] Siehe auch: DIMR (2024): Monitor Gewalt gegen Frauen, S.61 ff..
[4] Zur Abgrenzung Femizid und Femi(ni)zid siehe auch: Gewaltfrei in die Zukunft (2024): Man(n) tötet nicht aus Liebe, stoppt Femi(ni)zide!. [zuletzt geprüft: 03.11.2025].